„Man stelle sich vor, der Arzt rät seinem Patienten, täglich 2-3 l zu trinken, verweist ihn aber an einen Kollegen, wenn der Patient wissen möchte, ob Wasser, Milch, Bier oder Wein getrunken werden soll.“
Diese Glosse aus einem Leserbrief im Anaesthesisten 2006 [1] war die Reaktion auf eine Publikation [2] mit zugehöriger Einführung [3]. Ein abgewandeltes Zitat [3] lautete: Ein sehr hoher Stellenwert ärztlichen Handelns gilt der sorgfältigen Auswahl von Art (primär), Indikation (sekundär) und Menge (tertiär) verschiedener Präparate.
In Intensive Care Medicine [4] erfolgt die Fortsetzung nach fast 20 Jahren: Die Autoren Arabi YM, Belley-Cote E, Carsetti A et al. publizieren eine 'Clinical practice guideline on fluid therapy in adult critically ill patients.' Part 1: the choice of resuscitation fluids [4].
Dazu schreiben die Autoren Mertzlufft et al. einen Letter to the editor [5]: Wir sind der Meinung, dass die Autoren zu kurz gesprungen sind … Die Auswirkungen von Schwankungen in der physiologischen Zusammensetzung der infundierten Flüssigkeit wurden nicht berücksichtigt. Dies war ein eklatantes Versäumnis. Im Jahr 2022 legten wir … internationale Experten … theoretische Argumente und Forschungsergebnisse vor, die zeigten, dass die ionische Zusammensetzung einer Infusionslösung den Zellstoffwechsel, die Elektrolytfunktion und das Säure-Basen-Gleichgewicht beeinflussen kann … [6].
Die Antwort der Autoren [7]: Wie in der Leitlinie und dem Artikel von Mertzlufft et al. hervorgehoben, gibt es nur begrenzte klinische Nachweise für andere Fragen … Dieser Punkt wurde in den Leitlinien … für weitere Forschungen hervorgehoben.
Was lernen wir 2024 von der European Society of Intensive Care Medicine, was wir 2006 nicht schon wussten zur Flüssigkeitstherapie: Was, wann und wie viel?
Mertzlufft et al. [5] danken den 21 Autoren dafür, dass sie insgesamt 108 Referenzen daraufhin überprüft haben, ob die klinische Anwendung verschiedener Flüssigkeiten zu messbaren Ergebnissen führt, d. h. zu einer gesicherten Evidenz. Mertzlufft et al. sind enttäuscht, weil die physiologische Zusammensetzung der verschiedenen Flüssigkeiten ignoriert wurde, d. h. sie wurde weder verglichen noch erwähnt. Diverse Empfehlungen erlangen – erwartungsgemäß – danach eine sehr geringe, geringe oder mäßige Evidenz.
Das Nobel-Komitee lobt 2005 die „Hartnäckigkeit und den gerüsteten Verstand“, wenn es gilt, ein medizinisches Dogma zu widerlegen.
In 2005, the Nobel Committee praised the 'tenacity and the equipped mind' when it comes to disproving a medical dogma.