Mortalität (14.04. / 30.05.2014)

Die Antworten auf o. g. Rätsel verteilen sich wie folgt:

Auflösung

Richtige Antwort: Herzinsuffizienz

Dazu veröffentlicht das Statistische Bundesamt für insgesamt 869.582 Todesfälle (2012) folgende Angaben [1]:

 

Die drei falschen Antworten, die alle für sich die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, beanspruchen, werden wie folgt kommentiert:

Plötzlicher Herzstillstand

In der A & I vom 1. März 2014 wird über die Bad Boller Reanimationsgespräche sowie die begrüßenswerte Initiative von DGAI, BDA, Deutschem Rat für Wiederbelebung und Deutschem Reanimationsregister zum Thema “10 Thesen für 10.000 Leben” berichtet [2]. In der offiziellen Pressemitteilung wird dazu ausgeführt: In Deutschland ist der Herz-Kreislaufstillstand (plötzlicher Herztod) derzeit die dritthäufigste Todesursache; bei über 75.000 Menschen wird jedes Jahr mit Wiederbelebungsmaßnahmen begonnen.

Leider aber sind die Zahlenangaben, also über 75.000 p.a., hier nicht sehr überzeugend, wie der Vorsitzende des Deutschen Rats für Wiederbelebung einräumt: „Es gibt leider keine offiziellen Zahlen für Deutschland. Wenn wir nach Amerika oder nach Skandinavien gehen ist das schon anders. Wir müssen bei uns derzeit anhand der Daten des Deutschen Reanimationsregisters extrapolieren. Sehr wichtig ist es daher – wie bereits in einigen skandinavischen Ländern – auch bei uns eine Meldepflicht für den plötzlichen Herztod und bei begonnener Reanimation einzuführen. Warum gibt es dies – zurecht – bei tödlichen Verkehrsunfällen, nicht aber beim plötzlichen Herztod?“ [3].

Eine solche Unsicherheit animiert natürlich zu Spekulationen im Internet (eingesehen am 02.04.2014): In Deutschland versterben am plötzlichen Herztod 100.000 bis 200.000 Menschen pro Jahr [Wikipedia], plötzlicher Herztod ist in Deutschland laut Statistik mit etwa 150.000 Fällen eine der häufigsten Todesursachen [Bild der Wissenschaft], etwa 120.000 sterben jährlich allein in Deutschland am plötzlichen Herztod [Medtronic].

Fragt man an bei der Circle Comm GmbH - Agentur für Gesundheitskommunikation, die die Aktion „Ein Leben retten“ und die „Woche der Wiederbelegung“ organisiert, dann erhält man die erstaunliche Antwort: „Der plötzliche Herzstillstand ist mit ca. 100.000 Fällen pro Jahr die dritthäufigste Todesursache in Deutschland“ [4].

Eine grobe Literatur-Recherche [z. B. auch 5] führt zu einem Review über 1.391 Publikationen, davon 30 Studien für Europa mit folgendem Ergebnis: Die Inzidenz des plötzlichen Herztods ergibt für Amerika 54,6 und für Europa nur 35,0 pro 100.000, also für Deutschland (82 Mio. Einwohner) wären das 28.700 für den OHCA (out of hospital cardiac arrest) [6]. Damit liegt der plötzliche Herzstillstand (Herztod) bestenfalls auf Platz 5 in Deutschland und nicht Platz 3 wie behauptet oder sogar Platz 1 mit über 75.000 Todesfällen pro Jahr.

Sepsis

Seit Jahren wird von der Anästhesiologie der Universitätsklinik in Jena die These vertreten, die Sepsis sei die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, aktuell im März 2014 gerade wieder: „Jeden Tag sterben in Deutschland rund 160 Menschen an einer Sepsis. Die sogenannten Blutvergiftungen sind damit die dritthäufigste Todesursache“ [7].

Das wären dann jedes Jahr an die 60.000 Sepsis-Tote in Deutschland.

Selbst wenn man – statistisch unzulässig – für 2012 alle Sepsis-Haupt- plus -Neben-Diagnosen für Streptokokken-Sepsis plus Sonstige Sepsis zusammen nehmen würde, käme man laut Statistischem Bundesamt nur auf 16.974. Auch in den USA landet die „Septicemia“ bei den „Leading causes of death in United States“ nur auf Platz 11 [8].

Unfallbedingter Tod

Die nächste Krankheit, für die die dritthäufigste Todesursache reklamiert wird, ist der unfallbedingte Tod (Trauma): Die AG Polytrauma der Charité bezeichnet diesen als dritthäufigste Todesursache (in den westlichen Industrieländern) [9]. Auch hier liefert das Statistische Bundesamt verlässliche Zahlen für 2012, nämlich 20.822 Sterbefälle durch Unfälle (Sonstige 8.226; häuslich 8.158; Verkehr 3827 etc.) [10]. Die sich daraus ergebende Rangfolge deckt sich mit den Angaben für die USA, nämlich bei den Leading causes of death in United States liegt „Injury“ auf Platz 6 [8].

P.S.

Nach Veröffentlichung dieses Rätsels am 15.04.2014 meldet die Süddeutsche Zeitung am 23.04.2014 in einem Beitrag in der Rubrik Wissen, dass der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Deutschland sei. Trotz des Hinweises, dass es für Platz Drei bereits 4 Kandidaten gebe, wurde kein Erratum veröffentlicht.

Fazit

Der „Wettlauf“ um den dritten Platz, d.h. dritthäufigste Todesursache in Deutschland, ist ins Leere gegangen, für die mittlerweile 4 „Kandidaten“ plötzlicher Herztod, Sepsis, unfallbedingter Tod und Schlaganfall sollten verlässliche Zahlen nachgeliefert werden. Bis zur Klärung bleibt die Herzinsuffizienz gemäß Statistischem Bundesamt die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.

Referenzen

  1. Statistisches Bundesamt: Häufigste Todesursachen 2012
  2. Gräsner J-T, Werner C, Geldner G, Böttiger BW: Bad Boller Reanimationsgespräche – 10 Thesen für 10.000 Leben. Anästh Intensivmed 2014; 55: 148 - 150
  3. Prof. Dr. B. Böttiger, Vorsitzender Deutscher Rat für Wiederbelebung, E-Mail vom 24.03.2014
  4. Circle Comm GmbH - Agentur für Gesundheitskommunikation, E-Mail vom 11.04.2014
  5. Fishman GI, Chugh SS, Dimarco JP, et al.: Sudden cardiac death prediction and prevention: report from a National Heart, Lung, and Blood Institute and Heart Rhythm Society Workshop. Circulation 2010; 122: 2335 – 2348
  6. Berdowski J, Berg RA, Tijssen JGP, Koster RW: Global incidences of out-of-hospital cardiac arrest and survival rates: Systematic review of 67 prospective studies. Resuscitation 2010; 81: 1479 – 1487
  7. Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. (VUD), Gastbeitrag von Prof. Reinhart: Sepsis: Versorgungsforschung rettet Leben. Politikbrief 1/14: 4
  8. Taniguchi D, Baernstein A, Nichol G: Cardiac arrest: A public health perspective. Emerg Med Clin N Am 2012; 30: 1 - 12
  9. Website der Charité, AG Polytrauma, eingesehen am 17.03.2014
  10. Statistisches Bundesamt: Unfallbedingter Tod 2012