Einleitung

Physiologische Flüssigkeit

Sowohl Volumenersatzlösungen (volume replacement) zum Ersatz intravasaler Flüssigkeit (Blut bzw. Plasma) als auch Infusionslösungen zur Flüssigkeitssubstitution (fluid substitution) im Sinne einer Kompensation fehlender Flüssigkeitszufuhr und / oder kutaner, enteraler und renaler Verluste sollten im Idealfall „physiologisch“ zusammengesetzt sein. Damit werden iatrogene Änderungen der Osmolalität, des Elektrolyt- und des Säure-Basen-Status des Patienten vermieden und Störungen automatisch korrigiert. Für den Arzt hat dies den entscheidenden Vorteil, dass - abgesehen vom zugeführten Volumen - eine Überdosierung mit Sicherheit ausgeschlossen ist. Somit wäre jede Infusionslösung im Idealfalle wie das menschliche Plasma (Tab. Plasma und Basislösungen) oder die Extrazellularflüssigkeit zusammengesetzt. Dieser Forderung stehen Probleme von Seiten der Galenik, also den pharmazeutischen Erfordernissen der Zubereitung in Form der Elektroneutralität und der Bikarbonat-Problematik entgegen.

Bilanzierung des Extrazellularraumes

Die Zufuhr jeder Infusionslösung kann die Zusammensetzung des Blutes bzw. Plasmas sowie des Extrazellularraumes (EZR) verändern, für einen Erwachsenen mit einem Körpergewicht (KG) von 75 kg mit 15 l (20 % des KG) angenommen, das Plasmavolumen eingeschlossen. Diesbezügliche Bilanzierungen vernachlässigen einen möglichen Austausch der zu betrachtenden Substanz mit dem Intrazelluarraum (IZR). Diese Annahme ist berechtigt, weil praktisch alle physiologischen Regulationsprozesse zum Ziel haben, den Intrazellularraum vor Veränderungen zu schützen.

Folgende Beispiele werden dazu aufgeführt:

  • Der Extrazellularraum besitzt mit einem Gesamtvolumen von 15 l und einer Bikarbonatkonzentration von 24 mmol/l eine extrem hohe Pufferkapazität für alle anfallenden nicht-respiratorischen (fixen) H+-Ionen, da insgesamt 360 mmol HCO3- (24 mmol/l x 15 l) für eine Pufferung zur Verfügung stehen. So kann z. B. ein Betrag von 300 mmol Milchsäure vom Patienten abgepuffert werden, wobei ein BE von -20 mmol/l mit einem pH von 7,05 ohne respiratorische Kompensation entsteht, pCO2 40 mmHg unterstellt. Zum Vergleich: Sportler weisen BE-Werte bis -30 mmol/l auf. Dieser erhebliche Betrag von 300 mmol senkt die HCO3--Konzentration in Plasma und EZR von 24 auf 10,5 mmol/l, d. h. ein Betrag von 203 mmol (13,5 mmol/l x 15 l) wurde vom EZR abgepuffert, also gut Zweitdrittel (68 %) des Gesamtbetrages. Die gleiche Relation wird natürlich erhalten, wenn die Änderung der HCO3--Konzentration (13,5 mmol/l) in Relation zum BE (20 mmol/l) betrachtet wird.
  • Zur Therapie einer metabolischen Azidose wird der Base Excess des Blutes (BE, mmol/l) mit einer Faustregel verwendet, die einen effektiven Verteilungsraum für das Therapeutikum von 30 % des Körpergewichts (KG) annimmt, obwohl der EZR beim Erwachsenen nur ca. 20 % des KG ausmacht. Die Dosierung erfolgt dann nach der Formel: Dosierung (mmol) = BE (mmol/l) x 0,3 x KG (kg)
  • Mit einer Änderung der Elektrolytkonzentrationen des EZR muss gerechnet werden, wenn nach Verlust von 2 l Extrazellularflüssigkeit (13 l) der EZR mit 0,9 % NaCl (Natrium bzw. Chlorid 154 mmol/l) wieder aufgefüllt wird (15 l): Die Natriumkonzentration steigt „nur“ von 142 auf 143,6 mmol/l, die Chloridkonzentration aber von 103 auf immerhin 109,8 mmol/l.
  • Die Zufuhr einer HCO3--freien Lösung mit einem Base Excess von - 24 mmol/l erzeugt beim Patienten einen BE von „nur“ - 1,6 mmol/l.