Zur Einstimmung auf das Thema wird folgender Überblick gegeben.
Nach einem akuten Verlust bis ca. 20 % des Blutvolumens erfolgt eine Sympathicus-Aktivierung zur Restitution des Plasmavolumens.
Kommt es darüber hinaus zum Volumenmangel-Schock, wirkt die dabei auftretende Hyperosmolalität im Schock als treibende Kraft für die Restitution des Plasmavolumens. Sie sorgt innerhalb weniger Minuten für eine Wasserdiffusion aus dem intracelluären (ICFV) in das extracelluläre (ECFV) Kompartiment bis zum Ausgleich beider Osmolalitäten. Neben der Glukose (Hyperglykämie) werden für die Hyperosmolalität auch unbekannte Substanzen, „unmeasured anions“ (UMA), verantwortlich gemacht. Auch bei schwer verletzten Patienten ohne Blutverlust wird die Hyperosmolalität beobachtet. Es wird bezweifelt, dass die Hyperosmolalität ein effektiver „Notfall-Mechanismus des Organismus“ ist.
Bei akutem, nicht chronischem, vital bedrohlichen Volumenmangel ist eine hyperonkotische Infusionslösung geeignet, die schnellstmögliche Wiederauffüllung des intravasalen Flüssigkeitsvolumens (IVFV) unter Einbeziehung von Flüssigkeitsreserven des Interstitiums zu erzielen.
Für den hämorrhagischen Schock beim Menschen ist zu prüfen, ob es einen klinisch relevanten Vorteil im Hinblick auf die Mortalität nach Einsatz von hypertoner NaCl-Lösung gibt. Ebenso, ob es einen intravasalen Volumeneffekt im Sinne einer small volume resuscitation bei der Reanimation gibt.
Sollen hypertone NaCl-Lösungen zur Therapie der intrakraniellen Hypertension (ICP) verwendet werden, ist nur ein Bolus geeignet, einen osmotischen Gradienten aufzubauen. Der von mehreren Autoren angegebene Grenzwert der gemessenen Osmolalität von 320 mosmol/kg H2O wird überprüft. Die in zahlreichen Reviews und Metaanalysen vertretene sehr zurückhaltende Bewertung der hypertonen NaCl-Lösung zur ICP-Senkung wird kommentiert.
Der Einsatz hyperchlorämer Infusionslösungen sollte unterbleiben, weil die Hyperchlorämie die Nierenfunktion negativ beeinflusst.
In einem Anhang zur Osmolarität vs. Osmolalität wird gezeigt, dass die Begriffe Osmolarität (mosmol/l) und Osmolalität (mosmol/kg H2O) und ihre entsprechenden Zahlenwerte von vielen Autoren verwechselt werden.
Wenn einem Tier, üblicherweise dem splenektomierten Hund, innerhalb von ca. 20 min 20 bis 50 % des Blutvolumens entnommen werden (15 - 35 ml/kg KG) [2, 9], dann werden davon in den ersten Minuten 35 % des Verlustes ausgeglichen (0,25 ml/kg KG pro Minute) [2] und in den ersten 6 Stunden sogar 87 % [9]. Als eine der Ursachen wird eine ausgeprägte intestinale Vasokonstriktion beschrieben, auf zirkulierendes Angiotensin und Vasopressin zurückzuführen [6].
Die Befunde am Menschen sind sehr heterogen.
Das entzogene Blutvolumen bei gesunden Probanden betrug 10 [3, 7] bis 20 % [1, 5, 8]. In den ersten Stunden nach Blutung erfolgte die Restitution des Blutverlustes mit ca. 10 ml/h [1], ca. 20 ml/h [3, 5], ca. 60 ml/h [7] und 50 ml/h nach venöser bzw. 100 ml/h nach arterieller Blutung [10].
Die Interpretation [4] der Restitution des Plasmavolumens lautet:
Boyd und Mansberger [3] haben die Hyperosmolalität als treibende Kraft für die Restitution des Plasmavolumens nach einem Blutverlust am Tier und am Menschen ausführlich beschrieben. Als Kandidaten für die Hyperosmolalität kommen die Glukose (Hyperglykämie) und die später auch als „unmeasured anions“ (UMA) bezeichneten unbekannten Substanzen in Frage.
Ihre erste Bedeutung erlangen die UMA bezüglich der Hyperosmolalität, also unbekannte Substanzen, deren Wert sich aus der Differenz zwischen gemessener und berechneter Osmolalität ergibt: Die über die Gefrierpunkts-Erniedrigung gemessene Plasma-Osmolalität (Normalwert 288 mosmol/kg H2O) fällt deutlich höher aus als der – damals – aus den Konzentrationen von Natrium, Harnstoff und Glukose berechnete Wert, von den Erstbeschreibern „mOsm-D“ bezeichnet [3, 4], heute eher als „osmolale Lücke“ (OL) bekannt.
Hier ist der 1. methodische Hinweis angezeigt:
In ihren klassischen Untersuchungen haben Boyd und Mansberger [3] überlebende und verstorbene Hunde nach einer Blutung mit Hypotension über 2 h auf 30 mmHg wie folgt differenziert (Zahlen gerundet): Wenn der Hct von 41 bzw. 45 % auf 29 bzw. 30 % abgefallen ist, dann steigt die gemessene Osmolalität bei den Überlebenden auf 339 und die berechnete auf 321 mosmol/kg H2O (OL = 18), bei den Verstorbenen allerdings gemessen auf 347 und berechnet auf 309 mosmol/kg H2O (OL= 38). Es ist offensichtlich, dass die osmolale Lücke (OL), das Maß für die unbekannten Substanzen (UMA), bei den verstorbenen Tieren deutlich größer ausfällt als bei den überlebenden Tieren.
Ihre zweite Bedeutung erlangen UMA bezüglich des Base Excess (BE, mmol/l): Es handelt sich um einen Betrag unbekannter Säure-Anionen, der den BE des Blutes messbar über die typischerweise proportionale Laktat-Konzentration des Plasmas (z. B. beim Sportler) ansteigen lässt. Hier der Link zu einer entsprechenden Publikation.
Bereits 1933 wurde über die Messung des Wassergehalts (Trocknung) von Blut und Geweben an splenektomierten Hunden nachgewiesen, dass es innerhalb von 4 - 20 Minuten nach einer akuten Blutung zu einer deutlichen Plasmaverdünnung aufgrund eines Wassereinstroms aus den Geweben kommt [2]. Die für die Plasmaverdünnung verantwortliche, hormonell bedingte extracelluläre Hyperosmolalität zusammen mit dem Abfall des Kapillardrucks infolge Vasokonstriktion führt zur Restitution des Blutvolumens [11].
Die Hyperosmolalität, gemessen über die Gefrierpunks-Erniedrigung (GPE), ist ein wichtiger Regulator des extrazellulären und damit des Plasma-Volumens, der einen osmotisch bedingten Wassereinstrom aus dem Gewebe (ICFV) in das ECFV und damit IVFV bedingt [16]. Bereits 5 min nach Blutverlust ist die Plasma-Hyperosmolalität nachweisbar und ist proportional zur Höhe des Blutverlustes bis zu 22,5 ml/kg [6]. Diese schnell nachweisbare Plasma-Hyperosmolalität wird vornehmlich durch eine adrenerge Glukose-Freisetzung aus der Leber verursacht. Dafür werden 3 Mechanismen verantwortlich gemacht: Katecholamin-Freisetzung aus der Nebenniere, direkter Sympathikusreiz an die Leber und eine Glucagon-Freisetzung aus dem Pankreas [15].
Gezielte arterielle und venöse Blutentnahmen haben die Quellen der für die Hyperosmolalität verantwortlichen Substanzen zu definieren versucht: 20 min nach einer hämorrhagischen Hypotension auf 50 mmHg wurde ein Anstieg der Osmolalität um 20 mosmol/kg H2O nachgewiesen, der vor allem auf eine Hyperglykämie zurückgeführt werden konnte. Diese Anstiege wurden zuerst arteriell nachgewiesen, erst nach 60 min im Gleichgewicht auf der venösen Seite, wodurch eine Freisetzung aus dem Muskel ausgeschlossen werden konnte. Somit stammt die Glukose aus der Leber, die Insulin-Konzentration blieb dabei gleich. Die Hyperosmolalität soll danach für eine Vasodilatation im Intestinalkreislauf verantwortlich sein [15]. Der Anstieg der Osmolalität erscheint somit zuerst im Splanchnikusgebiet, erst später im restlichen Kreislauf [11]. Wird das Intestinum experimentell entfernt, ist die Plasma-Dilution deutlich vermindert [2].
Schon nach 20 min Hypotension auf 30 mmHg nimmt die Osmolalität um 29 mosmol/kg H2O zu, die Glukosekonzentration um 30 mmol/l, die Laktatkonzentration um 7 mmol/l und die Natrium-Konzentration um 9 mmol/l ab [15]. Letzteres als Ausdruck des Wassereinstroms aus dem ICFV, ein Befund der im Widerspruch zu denen anderer Autoren steht (s- u.).
Andere Autoren machen einen simultanen Anstieg von Cortison für die Hyperosmolalität verantwortlich [6, 12, 19, 20]. Angeblich gehen 60 - 70 % der post-hämorrhagischen Hyperosmolalität auf die Glukose zurück [9], bei anderen Autoren bis zu 90 % [13].
So wird eine strenge Korrelation zwischen der Glukose-Konzentration und dem Hämatocrit-Abfall nach Blutung gefunden: Vom Normalwert von 5 mmol/l Glukose-Konzentration und einem Hct von 47 % fällt der Hct infolge Wassereinstroms auf 33 % ab, wenn die Glukose-Konzentration 40 mmol/l erreicht [9].
Trotz nachgewiesener Hyperosmolalität kann der Anstieg der Glukose-Konzentration ausbleiben, wenn die Tiere mindestens 24 Stunden oder Tage vor dem Versuch gefastet haben [6, 9, 12, 19].
Bei schwer verletzten Patienten wird das Phänomen der Hyperosmolalität auch beobachtet, die bei Überlebenden reversibel und bei Verstorbenen irreversibel ist. Damit werden Substanzen erfasst, die im Falle der Irreversibilität eine negative Prognose signalisieren. Ihre Quantifizierung erfolgt über eine deutliche Diskrepanz zwischen der gemessenen und der berechneten Osmolalität, die osmolale Lücke (OL), ursprünglich als „mOsm-D“ bezeichnet [3]. Bei der Messung werden somit unbekannte (unmeasured) Substanzen erfasst, die in die Rechnung, weil unbekannt, nicht eingehen können.
An dieser Stelle ist der 2. methodische Hinweis erforderlich:
Die Autoren geben einen Grenzwert von 40 mosmol/kg H2O für die OL (mOsm-D) an, wird dieser überschritten, dann sollten die Patienten innerhalb kürzester Zeit sterben [5].
Die gleiche Arbeitsgruppe [4] lieferte für 111 schwer verletzte Patienten wichtige Daten, die sich auf 12 Verstorbene und 16 Überlebende beziehen, und zwar initial und final. Aus den Angaben der gemessenen Osmolalität und der Laktat-Konzentration sowie der berechneten mOsm-D (OL) wurden die Werte wie folgt korrigiert: Die gemessene Osmolalität wurde um das miterfasste Laktat vermindert, ebenso die das Laktat miterfassende OL, um die einzelnen Fraktionen dann einzeln aufzuführen.
Es ist offensichtlich, dass die Osmolalität bei den Überlebenden von initial nach final abnimmt, ebenso die Laktat-Konzentration und die osmolale Lücke. Bei den Verstorbenen hingegen bleiben alle 3 Werte von initial nach final deutlich erhöht. Dies gilt nicht nur für die osmolale Lücke mit 79 mosmol/kg H2O und folglich für die Osmolalität mit 365 mosmol/kg H2O sondern auch für die Laktat-Konzentration mit 18 mmol/l.
Damit sind zusätzlich zur prognostisch wichtigen Laktat-Clearance zwei weitere wichtige Prognose-Indikatoren hinzugekommen, die erhöhte osmolale Lücke und die konsekutive Hyperosmolalität.
Offensichtlich erscheinen im Plasma von schwer verletzten Patienten neben dem Hypoxie-Marker Laktat weitere unbekannte, vorläufig nicht messbare Substanzen, die die osmolale Lücke erhöhen und eine Hyperosmolalität verursachen.
Als Ergebnis einer retrospektiven Observations-Studie (228 chirurgische ICU-Patienten) wird gezeigt, dass die Hyperosmolalität und die Hypernatriämie von vielen geprüften biochemischen Parametern am besten mit der Mortalität korrelieren. Eine Hypoosmolalität wurde definiert als ein Wert < 275 mosmol/kg H2O (- 4,5 %) und eine Hyperosmolalität mit > 305 mosmol/kg H2O (+ 5,9 %) für mindestens 1 Tag auf der ICU. Im gleichen Sinne eine Hyponatriämie < 130 mmol/l (- 8,5 %) und eine Hypernatriämie > 150 (+ 5,6 %) mmol/l für mindestens 1 Tag auf der ICU [17], also im Mittel eine Abweichung von ~ ± 6 %.
Die Ergebnisse sind in den beiden folgenden Abbildungen wiedergegeben.
Damit wird klar, dass sowohl eine Hypernatriämie als auch eine Hyperosmolalität zu einer erheblichen Erhöhung der Mortalität auf der ICU mit verschlechtertem Langzeitverlauf führen.
Die Befunde über die Hypernatriämie erscheinen auf den ersten Blick insofern verwirrend, als die Natrium-Konzentration nach Blutung im Tierversuch (s.o.) nicht zu sondern abnimmt [15], ein logischer Befund, weil das einströmende Wasser aus dem ICFV auch das Natrium verdünnen sollte.
Trotzdem scheint doch die Änderung der Natrium-Konzentration ein wichtiger Prognose-Indikator zu sein, wie die folgende Abbildung verdeutlichen soll:
Die Natrium-Konzentration bei Aufnahme (!) auf der Intensivstation (IST) hat offensichtlich einen großen Einfluss auf die Mortalität auf der Intensivstation (IST) bzw. im Krankenhaus (KH). Dies gilt für immerhin 17,7 % der Patienten mit einer Hyponatriämie sowie 6,9 % der Patienten mit einer Hypernatriämie [10].
Eine prospektive Studie an 101 Traumapatienten ohne Schock kommt zu ähnlichen Ergebnissen bezüglich der Hyperosmolalität: Hier korrelieren, direkt nach Krankenhaus-Aufnahme, die Osmolalität und die Glukose-Konzentration mit der Schwere der Verletzung (ISS, Injury Severity Score), nicht allerdings die Cortison-Konzentration [18]. Allerdings wurde bei knapp 45 % dieser Patienten Alkohol (ETOH) im Blut nachgewiesen, der die Osmolalität deutlich erhöht.
Dies erfordert den 3. methodischen Hinweis:
Die Ergebnisse sind in den beiden folgenden Abbildungen wiedergegeben.
Es ist offensichtlich, dass der Anstieg der Glukosekonzentration und der Osmolalität als Prädiktoren der Verletzungs-Schwere eingesetzt werden können.
Die Differenz zwischen berechneter und korrigierter gemessener Osmolalität (OL) war – auch bei den ETOH-negativen Patienten – dem ISS proportional. Diese Differenz repräsentiert die Menge der nicht gemessenen, gelösten Stoffe im Blut (UMA), d.h. auch wenn Glukose und Alkohol die Osmolalität erhöhen, sind sie nicht für die Gesamterhöhung der Osmolalität verantwortlich.
Wenn man für die einzelnen ISS-Stufen eine Auswertung der beiden Abbildungen zusammen vornimmt, ergibt sich folgendes Bild:
Subtrahiert man von der gemessenen Osmolalität die Glukose-Konzentration (mmol/l = mosmol/kg H2O), dann erhält man für die 4 ISS-Stufen Werte für die UMA (gerundet) in mosmol/kg H2O von 9 (ISS 1 - 9), 23 (10 - 14), 28 (15 - 25) und 47 (26 - 43). Immerhin sind 47 mosmol/kg H2O ein ganz beträchtlicher Wert für die UMA bzw. die OL.
Aus dem Vergleich von 8 normalen Probanden, 17 Soldaten während Fasten vor dem Einsatz und 14 schwerverwundeten Soldaten ziehen Carey et al. [7] die folgenden Schlüsse: Im Vergleich zu Normalpersonen und Soldaten vor dem Einsatz mit normalen Glukose-Konzentrationen weisen Verwundete bei ihrer Einlieferung Hyperglykämien auf (Mittelwert 13,5 mmol/l mit einem Maximum von 23,3 mmol/l). Im schweren Schock (Laktat über 5,5 mmol/l, pH unter 7,3) lag die Glukose-Konzentration bei 19,5 mmol/l. Das NN-Mark wurde für diese Hyperglykämien bei normalen Plasma-Insulin-Konzentrationen verantwortlich gemacht.
Auch in späteren Publikationen wird die prognostische Aussagekraft der Osmolalität wiederholt belegt: Bei 27 beatmeten Polytraumapatienten ist die Osmolalität mit 303 deutlich niedriger als bei den Verstorbenen mit 319 mosmol/kg H2O [1] und retrospektiv ist die Osmolalität bei 928 ICU-Patienten der beste Prognosefaktor für die Krankenhausmortalität [14].
Die Interpretation jeder Hyperosmolalität im Plasma erfordert folgende Klarstellung:
Jede im Plasma gemessene Hyperosmolalität beschreibt einen Zustand nach erfolgtem Wasserausgleich zwischen dem intra- und extracellulären Raum (ECFV). Diese Wasserdiffusion aus dem ICFV erfolgt innerhalb von wenigen Minuten, treibende Kraft dafür ist eine Hyperosmolalität im ECFV, die erst nach Ausgleich der intra- und extracellulären Osmolalitäten zum Stillstand kommt.
Dies soll mit dem 4. methodischen Hinweis erläutert werden:
Es darf bezweifelt werden, dass dies ein effektiver „Notfall-Mechanismus des Organismus“ ist, einen Blutverlust von 0,6 l zu kompensieren. Der Hämatokrit wäre in diesem Falle nur von 40 auf 36 % abgefallen. Wenn von anderen Autoren [9] eine strenge Korrelation zwischen der Glukose-Konzentration und dem Hämatocrit-Abfall nach Blutung gefunden wurde, nämlich von 47 % bei 5 mmol/l Glukose-Konzentration auf 33 % bei einer Glukose-Konzentration von 40 mmol/l, dann zeigt dies, dass die resultierende Osmolalitäts-Zunahme von 35 mmosmol/kg H2O den Hct-Abfall nicht begründen kann. Offensichtlich müssen weitere UMA an diesem Prozess beteiligt sein.
Die besondere Funktion der Leber zum Thema Hyperosmolalität ist mit der folgenden Anmerkung zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Glukoneogenese synthetisiert die Leber aus 2 Mol Laktat 1 Mol Glukose mit der Folge, dass der Betrag der laktatbedingten Hyperosmolalität halbiert wird. Unter diesem Gesichtspunkt erlangt die Hyperglykämie eine größere Bedeutung für die Hyperosmolalität als die Hyperlaktatämie.
Hyperonkotische Lösungen, zum Beispiel 10% HES (MW 130/0,4) mit einer initialen Volumenwirkung von 166 %, sind in der Notfallmedizin als einmalige Gabe zu empfehlen [3].
Wie in der Abb. oben dargestellt (unterste Zeile) wird mit nur 0,6 l hyperonkotischer Lösung ein intravasaler Volumeneffekt von 1 l auf Kosten des ECFV (- 0,4 l) erzielt. Voraussetzung ist ein entsprechend vorhandenes interstitielles bzw. auch intrazelluläres Flüssigkeitsvolumen.
Die hyperonkotische Lösung ist erforderlich, um bei akutem (nicht chronischem), vital bedrohlichem Volumenmangel die schnellstmögliche Wiederauffüllung des IVFV unter Einbeziehung von Flüssigkeitsreserven des Interstitiums zu erzielen.
Der Vorteil dieser Akut-Therapie der Hypovolämie besteht darin, dass die schnelle physiologische Volumenregulation unterstützt wird, also Flüssigkeits-Verschiebung von extra- nach intravasal mit – abgesehen vom Albumin – physiologisch zusammengesetzter Flüssigkeit einschließlich HCO3. Im Gegensatz zur physiologischen Reaktion mit Senkung des KOD sorgt eine hyperonkotische Infusionslösung hingegen dafür, dass diese Volumenverschiebung unter Aufrechterhaltung des KOD unterstützt wird.
Eine Anwendung über mehrere Tage, wie in einer Studie geschehen [1], ist logischerweise kontraindiziert [2]. Beim Einsatz dieser hyperonkotischen Lösungen sind Präparate in balancierter Lösung einer NaCl-basierten Lösung natürlich vorzuziehen, insbesondere deshalb, weil damit die Hyperchlorämie vermieden wird.
Am Beispiel eines Bolus von 250 ml einer 10 %igen NaCl-Lösung wird das Therapie-Prinzip einer hypertonen Infusionslösung anhand des folgenden Schemas erneut demonstriert.
In der Abb. oben dargestellt werden die Verhältnisse bei einem Patienten von 75 kg KG.
Die Infusion von 0,25 l einer Lösung mit 3.289 mosmol/kg H2O erhöht die Osmoltät im ECFV von 288 auf 337 mosmol/kg H2O (Berechnung im Anhang). Diese Hyperosmolalität führt sofort zu einer Wasser-Diffusion aus dem ICFV in das ECFV, bis die beiden Osmolalitäten ausgeglichen sind. Der Wert liegt bei 304 mosmol/kg H2O. Dazu muss das ECFV 1,6 l aufnehmen und das ICFV hat dann um den gleichen Betrag von 30 auf 28,4 l abgenommen. Somit liegen nun im ECFV 1,6 + 0,25 also 1,85 l kristalliner Flüssigkeit vor, davon verbleiben im IVFV nur 20 % davon, also 0,37 l.
Nach der schnellen Infusion von 0,25 l NaCl 10 % landen im Gefäßbett nur 0,37 l. Dafür sind dann im Extravasalraum (EVFV) – ohne physiologische Relevanz – 1,48 l (80 %) gelandet.
Diese Bilanz ist ernüchternd: Statt mit 0,25 l einer 10 %igen NaCl-Lösung könnte der gleiche intravasale Volumen-Effekt mit einer schnellen (Druck-) Infusion einer balancierten kolloidalen Lösung von 0,37 l oder 1,85 l einer balancierten Elektrolytlösung erreicht werden.
Der pathophysiologische Nebeneffekt der Hyperchlorämie stellt sich aber für die hypertone NaCl-Lösung wie folgt dar (Berechnung s. Anhang):
Es werden wieder 0,25 l einer Lösung mit 1.724 mmol/l Chlorid infundiert, die Bilanz für Chlorid als perfektem Marker für den Extrazellularraum ergibt eine Konzentration von 118 statt 103 mmol/l. Vor dieser Hyperchlorämie muss wegen der nierenschädlichen Effekte ausdrücklich gewarnt werden.
Den aktuellen Anlass für diese Betrachtungen liefern Zitate aus einer Veröffentlichung der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte e.V. (agswn März 2014):
„In den letzten Jahren stand für eine hyperosmolare (Erst-)Therapie von Volumenmangelzuständen („small volume resuscitation“, SVR) auf dem deutschen Markt das Präparat HyperHAES® (Fa. Fresenius-Kabi) zur Verfügung. Die Herstellerfirma hat nun auf die Zulassung mit Wirkung ab 3. März 2014 verzichtet und dieses Produkt vom Markt genommen. Eine identische oder ähnliche Infusionslösung steht in Deutschland derzeit nicht zur Verfügung. Die agswn bedauert diesen Schritt, da das Konzept der SVR in der Notfallmedizin einen festen Platz hat. HyperHAES® ist eine hyperosmolare, isoonkotische Lösung (250 ml NaCl 7,2%, HAES 6%). Der wesentliche Effekt im Sinne des Konzepts der SVR beruht auf der Hyperosmolarität der NaCl-Lösung. Vergleichbare Volumeneffekte dürften aber auch durch die Infusion von 200 ml NaCl 10% zu erzielen sein. Da die relativ geringe Menge des in den Kombinationspräparaten enthaltenen isoonkotischen Kolloids für das Konzept der SVR nicht relevant sein dürfte, scheint die Verwendung von NaCl 10% eine vertretbare und wirtschaftliche Alternative zu sein („Expertenmeinung“).“
Es dürfte klargeworden sein, dass die von der agswn vorgeschlagenen 200 ml von 10 % NaCl, keinen nennenswerten Volumeneffekt erzeugen können: Eine einmalige Gabe von 200 ml erzeugt einen Volumeneffekt von lediglich 1,5 l extracellulär, nämlich 0,2 l aus der Infusion plus 1,3 l aus der H2O-Diffusion vom ICFV in das ECFV.
Der Nebeneffekt der Hyperchlorämie macht nun 114 statt 103 mmol/l Chlorid-Konzentration aus, ein immer noch ganz beträchtlicher Wert (Berechnung s. Anhang).
Eine „grobe“ Literaturübersicht zur Therapie des hämorrhagischen Schocks mit hypertonen Lösungen ergibt das folgende Bild, wobei die (wenige) Literatur bewusst im zeitlichen Ablauf kommentiert wird.
Ein hämorrhagischer Schock wurde im Tierversuch nach ähnlichen Mustern erzeugt:
Ein Blutentzug mit einem mittleren arteriellen Druck von 40 oder 50 mmHg für 30 min [2] 90 min [1] oder sogar 120 min [3]. Wenn das gesamte entzogene Blut danach retransfundiert wurde, konnte das Überleben nur mit hypertonen Lösungen gesichert werden, während alle isotonen Lösungen von Bicarbonat, NaCl und Glukose ineffektiv waren [1].
Wurde fast die Hälfte des Blutvolumens entzogen (43 %) und danach nur 10 % des Verlustes entweder mit 0,9 % NaCl oder 2.400 mosmol/l (= 7,0 % NaCl = 2.289 mosmol/kg H2O) ersetzt, konnten optimale Ergebnisse erzeugt werden [2]: Schon mit 4 ml/kg KG hypertoner Lösung war das Überleben zu 100 % gesichert, der MAP und das HZV stabilisieren sich sofort, die Herzfrequenz bleibt bei 160/min stabil und der Mesenterialflow (Null während des Schocks) steigt über den Ausgangswert an [2]. Die Autoren weisen ausdrücklich darauf hin, dass keine wesentliche Ausdehnung des Plasmavolumens nachweisbar war, also nicht für das Überleben zu 100 % verantwortlich gemacht werden kann.
In ähnlichen Tierversuchen [3] werden den Tieren 50 % des Blutvolumens entzogen, was während des Schocks zu einer Reduktion des HZV von 40 - 50 % bei einer Zunahme des totalen peripheren Widerstandes um 20 - 30 % führt. Eine Bolus-Injektion direkt danach von nur 10 % des entzogenen Volumens (160 ml) von 0,9 % NaCl oder 2.400 mosmol/l NaCl (= 7,0 % NaCl) führt im Falle der hypertonen Lösung bereits nach 10 min zu einer Zunahme des Plasmavolumens um ca. 360 ml, eine Zunahme, die bei der 0,9 % NaCl-Lösung ausbleibt. Die Autoren schließen aus ihren Befunden, dass die Small-Volume-Injektion der hypertonen Lösung die Kreislauffunktion dramatisch ansteigen lässt, hervorgerufen durch die Zunahme des Plasmavolumens, die Zunahme des Herzzeitvolumens und die Reduzierung des totalen peripheren Widerstandes.
Die Autoren selbst [3] aber schränken den Effekt einer Zunahme des Plasmavolumens deutlich ein (s.u. Berechnungen): Aufgrund des osmotischen Gradienten sollen 710 ml von innen nach außen verschoben worden sein, zusammen mit den 160 ml zugeführten Volumens wären das dann 850 ml, von denen (nach den Autoren) die Hälfte im IVFV verblieben sein sollen. Von einem Volumeneffekt bei nur ca. 25 % des verlorenen Volumen, 425 ml in Relation zu den verlorenen 1.600 ml Blut, kann beim besten Willen nicht gesprochen werden, zumal es sich eigentlich (20 % von 850 ml) nur um 170 ml und damit ca. 10 % handeln dürfte.
Aus den Tierversuchen ergibt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen einem nur minimalen Volumeneffekt einerseits und den offensichtlich positiven hämodynamischen Effekten andererseits.
Am Patienten hingegen war eine aktuelle Metaanalyse aus dem Jahre 2014 anhand von 6 randomisierten, prospektiven, kontrollierten Untersuchungen von ursprünglich 66 Publikationen nicht in der Lage, einen klinisch wichtigen Vorteil im Hinblick auf die Mortalität nach Einsatz von hypertoner NaCl-Lösung nachzuweisen, auch wenn ein signifikanter Anstieg von Blutdruck und Natriumkonzentration (erwartungsgemäß) belegt werden konnte [4].
Eine andere Studie untersucht den Einsatz von HyperHAES nicht beim Volumenmangelschock sondern beim plötzlichen Herztod (OHCA, out of hospital cardiac arrest) [5]. Betrachtet man hier die Ergebnisse an 169 HyperHAES-Patienten (HHS) im Vergleich zu 108 nicht HHS-Patienten, so lässt sich für diese Therapie eine sichere und effektive Option nachwiesen, sofern man ein besseres Kurzzeit-Überleben zum Maßstab nimmt, gemessen an einer Krankenhaus-Einlieferung mit Spontan-Circulation [5].
Hier wurden im Mittel 215 ml einer 7,2 %igen NaCl (in isoonkotischem HES), also 2.350 mosmol/kg H2O, eingesetzt [5]. Diese erzeugen im ECFV eine Osmolalität von 317, nach dem Ausgleich dann eine Osmolalität von 297,7 mosmol/kg H2O. Dieser Ausgleich erfordert eine osmotische Volumenverschiebung von 1,0 l von intra- nach extracellulär, damit landen extracellulär dann 1,215 l, von denen 0,243 l (20 %) im IVFV verbleiben. Es ist äußerst fraglich, ob die Zufuhr von 215 ml, und nach osmotischer Volumenverschiebung, 243 ml als eine intravasale Volumentherapie einzuordnen sind.
Ein Ödem des Gehirns (1.080 g = ml) mit nur 1 ml Volumenzunahme sollte einen ICP-Anstieg von 2 mmHg bewirken, und umgekehrt, eine Volumenabnahme des Gehirns um 10 ml entspricht z.B. einer ICP-Senkung von 40 auf 20 mmHg.
Das Beispiel einer hyperosmolalen Therapie [18] zeigt, dass zumindest die Größenordnung einer solchen Bilanzierung manchmal zutrifft:
Nach einer mittleren Zufuhr von 45 ml einer NaCl-Lösung von 23,4 % entsprechend einer Osmolalität von 7.696 mosmol/kg H2O stellt sich im ECFV eine Osmolalität von 311 mosmol/kg H2O ein, die nach Verschiebung von 400 ml H2O einen Gleichgewichtszustand von 296 mosmol/kg H2O erreicht. Da 400 ml bezogen auf das ICFV von 30 l (75 kg KG) eine Volumenverschiebung von 1,33 % ausmachen, hätte das Gehirn mit 1.080 ml eine Volumenentlastung von 14 ml erfahren, die zu einer ICP-Senkung von 28 mmHg hätte führen sollen. Tatsächlich gemessen wurden nur 20 mmHg ICP-Senkung [18], eine akzeptable Übereinstimmung. So auch eine Vorhersage von 15 mmHg ICP-Abnahme im Vergleich zu einem Messwert von 9,6 mmHg [25]. Unter Berechnungen (s. u.) werden andere Beispiele aufgeführt, bei denen keine akzeptable Übereinstimmung vorliegt.
Nur mit Einschränkung werden solche Literaturstellen besprochen, die eine offensichtliche „Verwirrung“ zwischen den Begriffen Osmolarität (mosmol/l) und Osmolalität (mosmol/kg H2O) und ihren entsprechenden Zahlenwerten aufweisen [6, 7, 13, 17, 22, 27]. Diese werden im Kapitel Osmolarität und Osmolalität kommentiert.
Weil diese Form der Therapie bereits für nicht zielführend eingestuft wurde (s.o.), werden einige Literaturstellen aufgeführt aber nicht besprochen, sofern sie über eine kontinuierliche Therapie mit hypertoner NaCl-Lösung berichten [12, 15, 16, 21, 26], fast immer bei Kindern [15, 21, 26]. Dies gilt erst Recht für das Therapieziel, eine Hypernatriämie zur Prävention eines Hirnödems einzustellen [28].
Von den einsetzbaren Substanzen Mannit, Sorbit, Glycerin und NaCl-Lösung (7,5% / 10%) haben sich Mannitol und hyperosmolale NaCl-Lösungen durchgesetzt. Beide Therapien sollten oberhalb eines Serum-Natriums von 155 mmol/l oder einer Osmolalität von 320 mosmol/kg H2O streng indiziert werden, auch als kritischer Level bezeichnet [8, 16]. Eine übliche Dosierung beträgt: NaCl 7,5% i. v. Bolus 3 ml/kg KG, bis zu 250 ml/Tag [7]. Die höchsten eingesetzten NaCl-Konzentrationen betragen 23,4 % [23] bzw. 30 % [25].
Bei der traumatischen Hirnverletzung werden 40 ml von 14,6 % NaCl als sicher und hoch effektiv bezeichnet, auch wenn nur 4 von 11 Patienten überlebten [11].
Soll die Wirkung von 15 % NaCl mit 20 % Mannitol verglichen werden [20], dann muss über die Dosierung, hier 2 ml / kg KG (Mannit) bzw. 0,42 ml / kg KG (NaCl), ein Ausgleich vorgenommen werden, damit die osmotische Gesamtzufuhr beider Substanzen für einen Patienten mit 15 l ECFV (75 kg KG) weitgehend ausgeglichen wird (s. u. Berechnungen). Diese erzeugen im ECFV des Patienten eine Osmolalität von 297,5 mosmol/kg H2O (Mannit) bzw. 297,7 mosmol/kg H2O (NaCl), also, wie gewünscht, die gleiche Hyperosmolalität.
Die von den Autoren gemessene ICP-Abnahme betrug in beiden Fällen tatsächlich 8,7 mmHg [20].
Von mehreren Autoren wird ein Grenzwert der gemessenen Osmolalität von 320 mosmol/kg H2O angegebenen, der nicht überschritten werden sollte. Hierbei handelt es sich um den Wert für die extra- und intracelluläre Osmolalität nach (!) abgeschlossenem schnellen Ausgleich durch Wasserdiffusion von innen nach außen. Dieser Wert entspricht einer Gabe von 200 ml einer 23,4 %igen NaCl-Lösung entsprechend 7.696 mosmol/kg H2O. Die entsprechende Wasserverschiebung ergibt 3 l, d.h. das ECFV hat um 3 l zugenommen. Nach Infusion plus Wasserverschiebung ergibt dies eine Natrium-Konzentration von 161 mmol/l eine Chlorid-Konzentration von 129 mmol/l (Berechnungen s. Anhang), Werte die mit den Autoren-Angaben (s. o.) sehr gut vergleichbar sind.
Die sehr zurückhaltende Bewertung der hypertonen NaCl-Lösung zur ICP-Senkung wird mit einigen Zitaten aus Reviews bzw. Metaanalysen belegt:
“The optimal concentration, dose, and mode of administration (bolus vs. continuous infusion) for hypertonic saline are unknown.” [22]
Eine Übersicht und Meta-Analyse nur die 23,4 %ige Lösung betreffend prüft 11 Studien, von denen 6 eine Reduktion des ICP zu 60 % nachweisen konnten [24].
Hypertone Salzlösung scheint dem Mannitol überlegen zu sein [14].
Eine australische Metaanalyse kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz hyperosmolarer NaCl-Lösungen bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma „… may be considered a therapeutic adjunct…“ [30].
“… the clinician must weigh the value of long standing clinical acceptance and safety (mannitol) against a newer, potentially more effective therapy with a limited clinical record (hypertonic saline).” [23].
Ein Ausblick könnte eher lauten: “Thus, maintenance of normal plasma osmolality appears to be a key physiologic aim in the management of patients suffering from traumatic brain injury … “ [29].
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie kann folglich in der aktuellen Leitlinie (2012) keine generelle Empfehlung aussprechen [6].
In einem Beitrag aus dem Jahre 2013 zum Thema Hirndruck und Hirnödem werden die Nebenwirkungen des Einsatzes hypertoner Lösungen wie folgt zusammengefasst: Hypervolämie, Lungenödem, akutes Nierenversagen und hyperchlorämische metabolische Azidose.“ [7]. Wählt man als Beispiel den Einsatz von 250 ml 10%iger NaCl sind folgende Einwände angebracht:
Abgesehen von der Hyperchlorämie, ein wichtiges Argument, verläuft das Ganze doch recht harmlos.
Bleibt die Frage, welche Nebenwirkungen in der Literatur erwähnt werden.
Eine akute Nierenfunktionsstörung wird vielfach beschrieben, insbesondere bei Kindern [15] mit einer Rate von 20 % [21], aber auch bei Erwachsenen [13, 23], dem wird von anderen Autoren allerdings widersprochen [11].
Die hypertone Lösung soll primär den nicht betroffenen Teil des Gehirns dehydrieren während der verletzte Teil nicht verändert wird [23], in einer Metaanalyse bestätigt [30].
6. Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie
Entwicklungsstufe: S1 (Stand: September 2012)
Intrakranieller Druck (ICP)
7. Dietrich W, Erbguth F
Hirndruck und Hirnödem
Anaesthesist 2013; 62: 757 - 772
8. Ding Y, Duan A, Lu X
The role of serum osmolality monitoring in patients with severe
intracranial lesion
Zhonghua Wai Ke Za Zhi 1996; 34: 224 - 228
9. Diringer MN
New trends in hyperosmolar therapy?
Curr Opin Crit Care 2013; 19: 77 - 82
10. Ertmer C, Van Aken H
Fluid therapy in patients with brain injury: what does physiology tell us?
Crit Care 2014; 18: 119
11. Eskandari R, Filtz MR, Davis GE, Hoesch RE
Effective treatment of refractory intracranial hypertension after
traumatic brain injury with repeated boluses of 14.6% hypertonic saline
J Neurosurg 2013; 119: 338 - 346
12. Froelich M, Ni Q, Wess C, Ougorets I, Härtl R
Continuous hypertonic saline therapy and the occurrence of
complications in neurocritically ill patients
Crit Care Med 2009; 37: 1433 - 1441
13. Grände PO, Romner B
Osmotherapy in brain edema: a questionable therapy
Neurosurg Anesthesiol 2012; 24: 407 - 412
14. Grape S, Ravussin P
PRO: osmotherapy for the treatment of acute intracranial
hypertension
J Neurosurg Anesthesiol 2012; 24: 402 - 406
15. Gonda DD, Meltzer HS, Crawford JR, Hilfiker ML, Shellington DK,
Peterson BM, Levy ML
Complications associated with prolonged hypertonic saline therapy
in children with elevated intracranial pressure
Pediatr Crit Care Med 2013; 14: 610 - 620
16. Hauer EM, Stark D, Staykov D, Steigleder T, Schwab S, Bardutzky J
Early continuous hypertonic saline infusion in patients
with severe cerebrovascular disease
Crit Care Med 2011; 39: 1766 - 1772
17. Himmelseher S
Hypertonic saline solutions for treatment of intracranial hypertension
Curr Opin Anaesthesiol 2007; 20: 414 - 26
18. Hirsch KG, Spock T, Koenig MA, Geocadin RG
Treatment of elevated intracranial pressure with hyperosmolar therapy
in patients with renal failure
Neurocrit Care 2012; 17: 388 - 394
19. Horn P, Münch E, Vajkoczy P, Herrmann P, Quintel M, Schilling L,
Schmiedek P, Schürer L
Hypertonic saline solution for control of elevated intracranial pressure
in patients with exhausted response to mannitol and barbiturates
Neurol Res 1999; 21: 758 - 764
20. Huang XC, Yang LL
Comparison of 20% mannitol and 15% hypertonic saline in doses of
similar osmotic burden for treatment of severe traumatic brain injury
with intracranial hypertension
Nan Fang Yi Ke Da Xue Xue Bao 2014; 34: 723 - 726
21. Khanna S, Davis D, Peterson B, Fisher B, Tung H, O'Quigley J,
Deutsch R
Use of hypertonic saline in the treatment of severe refractory
posttraumatic intracranial hypertension in pediatric traumatic brain injury
Crit Care Med 2000; 28:1144 - 1151
22. Kheirbek T, Pascual JL
Hypertonic saline for the treatment of intracranial hypertension
Curr Neurol Neurosci Rep 2014; 14: 482 - 487
23. Kølsen-Petersen J.
Osmotherapy. In: Sundstrom T et al., editors
Management of severe traumatic brain injury
Berlin: Springer 2012. p. 293 - 302
24. Lazaridis C, Neyens R, Bodle J, DeSantis SM
High-osmolarity saline in neurocritical care: systematic review and
meta-analysis
Crit Care Med 2013; 41: 1353 - 1360
25. Major EH, O'Connor P, Mullan B
Single bolus 30 % hypertonic saline for refractory intracranial
hypertension
Ir J Med Sci 2015; 184: 159 - 165
26. Peterson B, Khanna S, Fisher B, Marshall L
Prolonged hypernatremia controls elevated intracranial pressure
in head-injured pediatric patients
Crit Care Med 2000; 28: 1136 - 1143
27. Ropper AH
Management of raised intracranial pressure and hyperosmolar therapy
Pract Neurol 2014; 14: 152 - 158
28. Ryu JH, Walcott BP, Kahle KT, Sheth SA, Peterson RT, Nahed BV,
Coumans JV, Simard JM
Induced and sustained hypernatremia for the prevention and
treatment of cerebral edema following brain injury
Neurocrit Care 2013; 19: 222 - 231
29. Van Aken HK, Kampmeier TG, Ertmer C, Westphal M
Fluid resuscitation in patients with traumatic brain injury:
what is a SAFE approach?
Curr Opin Anaesthesiol 2012; 25: 563 - 565
30. White H, Cook D, Venkatesh B
The use of hypertonic saline for treating intracranial hypertension
after traumatic brain injury
Anesth Analg 2006; 102: 1836 - 1846
Die folgenden Berechnungen gestalten sich insofern relativ einfach, weil die Osmolalitäten (mosmol/kg H2O) und nicht die Osmolaritäten (mosmol/l) in beiden Flüssigkeitsräumen intra- (ICFV) und ectracelluläres Flüssigkeitsvolumen (ECFV) immer gleich sein müssen. Der Normalwert beträgt daher in beiden Kompartimenten, wie auch im Plasma, 288 mosmol/kg H2O.
Werden bei einem Patienten von 75 kg KG mit einem ECFV von 15 l (20 % KG) 250 ml einer 10 %igen NaCl-Lösung infundiert, dann sind dies 0,25 l einer Lösung mit 1.724 mmol/l bzw. einer Osmolarität von 3.448 mosmol/l bzw. einer Osmolalität von 3.289 mosmol/kg H2O (3.448 x 0,926 osmotischer Koeffizient, geteilt durch den Wassergehalt von 0,9707 g/ml bei einer Dichte von 1,0707 g/ml). Die 3.289 mosmol/kg H2O verteilen sich im ECFV und erzeugen dort eine Osmolalität von 337 mosmol/kg H2O (0,25 l x 3.289 mosmol/kg H2O) + (15 l x 288 mosmol/kg H2O) = 15,25 l x 337 mosmol/kg H2O).
Diese extracelluläre Hyperosmolalität führt sofort zu einem Wasser-Ausstrom aus dem ICFV, bis die beiden Osmolalitäten ausgeglichen sind. Dieser Wert liegt bei 288 + 1/3 der Differenz von 49 (16) also bei 304 mosmol/kg H2O. Ein Drittel deshalb, weil das ICFV mit 30 l doppelt so groß ist wie das ECFV mit 15 l. Dazu muss das ECFV somit 1,6 l aufnehmen (Kontrolle: 15 x 336 = 16,6 x 304), das ICFV hat von 30 auf 28,4 l abgenommen (Kontrolle: 30 x 288 = 28,4 x 304).
Also sind im ECFV 0,25 l der zugeführten Lösung + 1,6 l aus dem ICFV = 1,85 l gelandet, davon verbleiben dann 20 % im IVFV, also insgesamt 0,37 l Flüssigkeit.
Die Zahlenwerte für die Gabe von nur 200 ml der gleichen Lösung lauten:
Osmolalität im ECFV nach Infusion 328 mosmol/kg H2O, Osmolalität nach Ausgleich 301 mosmol/kg H2O, verschobenes Volumen 1,3 l, somit Verbleib im ECFV 1,5 l und im IVFV nur 0,3 l Flüssigkeit statt der infundierten 0,2 l.
Eine ähnliche Berechnung wird von Nakayama et al. [3] vorgenommen:
Ein Schaaf von 45 kg KG mit einem ECFV von 9 l (20 %) und einem ICFV von 18 l (40 %) erhält im Mittel 162 ml einer Lösung von 2.400 mosmol/l entsprechend 2.289 mosmol/kg H2O (Umrechnung s.o.). Das durch osmotische Diffusion von innen nach außen verschobene Volumen soll nach den Autoren 200 ml betragen (162 + 200 ml).
Kontrolle: 0,162 ml mit 2.289 mosmol/kg H2O erzeugen im ECFV eine Osmolalität von 323 mosmol/kg H2O, die nach Ausgleich (288 + 1/3 der Differenz) 300 mosmol/kg H2O erzeugen.
Damit muss das ECFV von 9 auf 9,69 l zunehmen (9 x 323 / 300), d.h. es wurden 690 ml osmotisch verschoben (bei den Autoren 710 ml). Das Gesamtvolumen von 852 ml verteilt sich dann mit 20 % in das IVFV also 170 ml, bei den Autoren zu 50 %, also 426 ml.
Die Expansion des Plasmavolumens beträgt gemäß eigener Rechnung damit 170 ml, nach den genannten Autoren 300 ml, wegen deren Verteilung zwischen ECFV und IVFV.
Es ist daher vollkommen unrealistisch, von einer intravasalen Volumentherapie zu sprechen.
Bei der Vorhersage der ICP-Senkung unter Verwendung der Compliance des ZNS von 0,5 ml/mmHg wird die gleiche Berechnung der Osmolalität vor und nach Wasserdiffusion vorgenommen, danach allerdings wird der Betrag der Wasserdiffusion vom gesamten ECFV auf das Volumen des Gehirns von 1.080 ml bezogen. Dieser Betrag in ml wird dann in eine Druckänderung in mmHg umgerechnet und mit dem von den Autoren gemessenen Wert vergleichen.
Die Übereinstimmung zwischen Vorhersage und Messung der ICP-Abnahme ist schlecht, Ursache dafür dürfte die Angabe für die Compliance mit ca. 0,5 ml/mmHg sein.
Wiederholt wird ein Grenzwert der gemessenen Osmolalität von 320 mosmol/kg H2O. angegebenen, d.h. der Wert für die extra- und intracelluläre Osmolalität nach schnellem Ausgleich durch Wasserdiffusion.
Berechnung der Werte für die Gabe von 200 ml einer 23,4 %igen NaCl-Lösung entsprechend 7.696 mosmol/kg H2O:
(0,2 l x 7.696 mosmol/kg H2O) + (15 l x 288 mosmol/kg H2O) = 15,2 l x 385 mosmol/kg H2O
Addition von 1/3 der Differenz von 97,5 = 32,5 zum Normalwert 288 = 320,5 mosmol/kg H2O.
Mit 200 ml einer 23,4 %igen NaCl-Lösung wird nach Ausgleich eine Osmolalität von 320,5 mosmol/kg H2O erreicht.
Die entsprechende Wasserverschiebung ergibt 3 l, d.h. das ECFV hat um 3 l zugenommen, das ICFV um 3 l abgenommen.
Resultierende Grenzwerte für Natrium und Chlorid (0,9 %NaCl = 154 mmol/l somit 23,4 % = 4.000 mmol/l Natrium bzw. Chlorid).
Der Grenzwert der Natrium-Konzentration ergibt 161 mmol/l:
Die Grenzwert der Chlorid-Konzentration ergibt 129 mmol/l:
Die entstandene Hyperchlorämie ist praktisch immer massiv, die Folgen sind unter Hyperchlorämie beschrieben.
Folgende Beispiele werden, wie im Text erwähnt, genannt:
Der Einsatz hyperchlorämer Infusionslösungen sollte unterbleiben, weil die Hyperchlorämie die Nierenfunktion negativ beeinflusst, wie die folgende Zusammenstellung zeigt.
Details zur Problematik der Hyperchlorämie sind hier nachzulesen. Dort findet sich auch die angegebene Literatur.
Bereits in einer neueren Arbeit zum Thema wurde darauf hingewiesen, dass sich in der Literatur zahlreiche Beispiele dafür finden, dass die beiden Begriffe Osmolarität (mosmol/l) und Osmolalität (mosmol/kg H2O) verwechselt werden, dies betrifft allein 4 von 36 Publikationen zum Thema [Fazekas et al. 2013].
Eine ausführliche Darstellung der Problematik findet sich am Beispiel des Normalwertes der Plasma-Osmolalität.
Auch in einigen der hier zitierten Arbeiten wird diese „Verwirrung“ perpetuiert, dies betrifft erneut die Begriffe Osmolarität (mosmol/l) und Osmolalität (mosmol/kg H2O) und ihre entsprechenden Zahlenwerte [6, 7, 13, 17, 22, 27], wie folgende Beispiele belegen.In der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie wird eine maximale Osmolalität von 340 mosmol/l definiert [6].
In Tab. 1 einer Übersicht [17] werden die theoretischen Osmolalitäten genannt, die Zahlenwerte entsprechen aber den Osmolaritäten, allerdings mit der richtigen Einheit (NaCl 308 mosmol/kg H2O); 20 % Mannit wird dort mit 1.248 mosmol/kg H2O angegeben, hier mit 1.100 mosmol/kg H2O.
In Tab. 1 einer anderen Übersicht [27] werden die Osmolaritäten in mosmol/l angegeben, die Zahlenwerte entsprechen aber eher den Osmolalitäten.
In der gleichen Arbeit [27] findet sich die falsche Aussage „In den meisten Laboren wird die Osmolalität gemessen, die Werte entsprechen aber denen der Osmolarität.“
Richtig ist, dass man als Alternative zur Messung der Osmolalität im Zentrallabor die präzise Berechnung per Hand oder durch ein „modernes“ BGA-Gerät wählen kann, sofern die entsprechenden Messwerte vorliegen.