Jede Hypoventilation, ob sie durch eine Lungenfunktionsstörung des Patienten oder eine Fehlbeatmung durch den Arzt bedingt ist, führt zu einem Anstieg des arteriellen pCO2 mit nachfolgender Azidose. Die seltene respiratorische Alkalose infolge Hyperventilation basiert fast immer auf einer unbewussten Fehl- oder bewussten Beatmung des Patienten, im letzteren Falle im Sinne einer Senkung des paCO2 auf 28 - 32 mmHg mit dem Ziel einer Hirndrucksenkung.
Jede nicht-respiratorische Azidose ist letztlich dadurch gekennzeichnet, dass die Konzentration der Gesamt-Pufferbasen im Blut (Buffer Base BB, 48 mmol/l), bestehend aus dem Hämoglobinat der Erythrozyten und dem Bikarbonat des Plasmas und der Extrazellularflüssigkeit infolge Pufferung der anfallenden H+-Ionen abgenommen hat. Grundsätzlich macht es dabei bezüglich der Azidose und des HCO3- keinen Unterschied, ob die HCO3--Konzentration durch Verdünnung (Dilutions-Azidose), Zufuhr fixer H+-Ionen (metabolisch entstanden oder iatrogen zugeführt) oder Auswaschen von HCO3- (gewaschene Erythrozyten) gesenkt wird. Das Ergebnis ist immer eine Azidose mit negativem BE und normalem pCO2, solange keine respiratorische Kompensation eingesetzt hat. Nach ihrer Ursache können daher die nicht-respiratorischen Azidosen eingeteilt werden in Dilutions-, Infusions-, Transfusions- und metabolische Azidosen. Bei den nicht-respiratorischen Alkalosen kommen als Ursachen praktisch nur chronische Verluste von saurem Mageninhalt (intestinale Alkalose) oder iatrogene Infusions- oder Transfusions-Alkalosen in Frage, während metabolische Alkalosen im Sinne einer Stoffwechselentgleisung prinzipiell ausgeschlossen werden müssen.
Die Verdünnungs- oder Dilutions-Azidose beschreibt die Tatsache, dass eine Verdünnung von Blut mit einer HCO3--freien Infusionslösung zu einer Azidose dieses Blutes führen muss, da die HCO3- -Konzentration des Blutes bzw. des Plasmas entsprechend vermindert wird. Sie tritt auf, wenn große Mengen infundiert werden, da ja nicht nur das Plasma, sondern auch der gesamte Extrazellularraum verdünnt werden muss. Im Rahmen einer Hämodilution, z. B. bis zu einer Hb-Konzentration von 6 g/dl, kann eine Dilutions-Azidose mit einer BE-Abnahme von 6 mmol/l beobachtet werden, ohne dass ein Laktat-Anstieg als Ursache dafür nachweisbar wäre. Natürlich wird jede bereits bestehende nicht-respiratorische Azidose durch diesen Effekt verstärkt. Da alle im Handel befindlichen Infusionslösungen (Volumenersatzflüssigkeiten, Elektrolytlösungen, Lösungen zur parenteralen Ernährung) kein HCO3- enthalten (Ausnahme Gelifundol, seit 2004 nicht mehr im Handel), muss immer mit einer Dilutions-Azidose gerechnet werden.
Mit ganz wenigen Ausnahmen weisen Infusionslösungen aus galenischen Gründen sehr saure pH-Werte zwischen 5,0 und 7,4 auf. Die Frage, ob sie deshalb im Patienten eine Azidose verursachen können, wurde insofern scheinbar geklärt, als der Begriff der sogenannten Titrationsazidität (TA) für Infusionslösungen eingeführt wurde: Nicht der pH-Wert einer Lösung, sondern deren Titrationsazidität bestimme die fragliche Azidosebildung. Unter Titrationsazidität versteht man diejenige Menge an OH--Ionen (mmol/l), die notwendig ist, den pH-Wert der Lösung auf 7,40 zu titrieren, und zwar bei 37 °C und pCO2 = 0 mmHg.
Tatsächlich beträgt die Titrationsazidität für viele Lösungen zwischen 0 und ca. 50 mmol/l [Zander 2002 (D)]. Darüber hinaus aber enthalten Infusionslösungen wie erwähnt kein HCO3-, was der Organismus nach Infusion mit 24 mmol/l ersetzen muss. Mit der Angabe des aus der Diagnostik bereits bekannten Base Excess BE (mmol/l) kann man daher eine Infusionslösung bezüglich des fehlenden HCO3- wie folgt charakterisieren:
Der Base Excess (BE) ist diejenige Menge an H+ oder OH- in mmol/l, die benötigt wird, den pH der Lösung bei 37 °C und pCO2 40 mmHg auf 7,40 zu titrieren, und damit zugleich diejenige Menge an H+, die dem Organismus parenteral zugeführt wird. Die Differenz zwischen Titrationsazidität und Base Excess wird also immer 24 mmol/l betragen, da die Lösung kein HCO3- enthält.
Zusätzlich enthalten Infusionslösungen noch metabolisierbare Anionen und Aminosäuren, die dem Organismus nach Metabolisierung in der Leber H+-Ionen entziehen oder zuführen. Mit dem Wert des sogenannten potentiellen Base Excess (BEpot, mmol/l) einer Infusionslösung kann man dann diejenige Menge an H+ in mmol/l erfassen, die dem Organismus nach Infusion parenteral zugeführt wird, plus diejenige Menge an H+ in mmol/l, die nach vollständiger (daher potentieller) Metabolisierung im Stoffwechsel des Organismus freigesetzt oder verbraucht werden. Dieser Wert BEpot ergibt sich aus der Addition von BE (mit entsprechendem Vorzeichen) in mmol/l und der metabolischen Wirkung der metabolisierbaren Anionen und Aminosäuren, d. h. Verbrauch oder Freisetzung von H+-Ionen.
Für einige ausgesuchte Beispiele [Zander 2002 (D)] soll die Problematik von BE und BEpot für einen Patienten (Extrazellularraum von 15 l bei 75 kg KG) demonstriert werden: Volumenersatzmittel mit BEpot-Werten von - 24 bis + 31 mmol/l erzeugen pro Liter infundierter Lösung beim Patienten einen BE von - 1,5 mmol/l, wenn sie keine metabolisierbaren Anionen enthalten, Beispiel Gelafundin (B. Braun), wirken praktisch ausgeglichen, Beispiel Gelafusal (Serumwerk Bernburg) mit 27 mmol/l Azetat nach Metabolisierung, oder erzeugen beim Patienten nach Infusion und Metabolisierung einen BE von + 2 mmol/l, Beispiel Longasteril 70 mit Elektrolyten (Fresenius Kabi). Elektrolytlösungen zeigen ein ähnliches Spektrum mit BEpot-Werten von - 18 bis + 31 mmol/l.
Aminosäurehaltige Lösungen weisen extreme BEpot-Werte von + 10 bis - 227 mmol/l auf. 1 Liter Traumasteril (Fresenius Kabi) belastet den Patienten mit 227 mmol/l H+, also das Dreifache der normalen täglichen H+-Elimination über die Niere. Am Beispiel von Aminosteril plus (Fresenius Kabi) wird die Problematik verdeutlicht: 1 Liter Lösung erzeugt beim Patienten einen BE von - 4 mmol/l, der nach Metabolisierung der Anionen organischer Säuren auf + 8 mmol/l ansteigt, um nach Metabolisierung der Aminosäuren auf ca. 0 mmol/l zu fallen. Im Idealfalle wird der BE des Patienten nicht beeinflusst, die gleichzeitige Metabolisierung aller Anionen bzw. Aminosäuren unterstellt [Zander 2002 (D)]. Da alle Infusionslösungen derzeit nur nach der entsprechenden Einwaage, eventuell auch mit der Titrationsazidität deklariert sind, bleibt vorläufig nur die Möglichkeit, mögliche Änderungen des Säure-Basen-Status des Patienten entsprechend diagnostisch zu verfolgen.
Infusions-Alkalosen werden bevorzugt postoperativ auftreten, wenn die Leberfunktion intraoperativ mehr oder weniger reduziert war und die zugeführten metabolisierbaren Anionen nicht umgesetzt werden konnten. Dies gilt insbesondere für eine Allgemeinanästhesie, Operation in Hypothermie, extrakorporale Zirkulation (insbesondere bei Verwendung von Blut für die EKZ) oder Lebertransplantation. Je nach Anästhetikum (Halothan, Enfluran, Isofluran) nehmen die Durchblutung, der O2-Verbrauch und die Laktat-Aufnahme der Leber sehr stark ab.
Fallbeispiel: Ein 7 Tage altes Neugeborenes entwickelt, nach EKZ unter Hypothermie und Verwendung von Blut als priming solution, auf der Intensivstation während künstlicher Beatmung eine nicht-respiratorische Alkalose, die ihr Maximum trotz entsprechender Therapie (Zufuhr saurer Valenzen) nach 24 h mit einem BE von + 22,5 mmol/l erreicht. Im gleichen Zeitraum (als Ausdruck des wieder einsetzenden Lebermetabolismus) geht die Laktat-Konzentration von 7,1 auf 1,7 mmol/l zurückgeht.
Gelagertes Blut weist aufgrund der unphysiologisch sauren Stabilisatorlösungen mit einem pH von ca. 6,0 (z. B. ACD, CPD, CPDA-1) direkt nach Abnahme vom Spender einen sehr niedrigen pH-Wert auf, der sich im Verlauf der Lagerung infolge des Stoffwechsels der Blutzellen noch weiter vermindert. Die H+-Ionen werden vom HCO3- des Blutes abgepuffert, da der Beutel für CO2 wenig durchlässig ist, zeigt der frische Blutbeutel pH-Werte um 6,6 und pCO2-Werte um 150 mmHg. Der BE-Wert eines frischen Blutbeutels beträgt ca. - 20 mmol/l, nach vierwöchiger Lagerung infolge der Milchsäureproduktion der Blutzellen ca. - 45 mmol/l. Die mit der Gabe von Blut zugeführten H+-Ionen müssen daher beim Patienten zwangsläufig zu einer Azidose führen, insbesondere bei Massivtransfusionen.
Diese Transfusions-Azidose wird dann nicht in Erscheinung treten oder sogar in eine Post-Transfusions-Alkalose überführt werden, wenn die Leber in der Lage ist, das mit dem Blutpräparat gleichzeitig zugeführte Zitrat zu verstoffwechseln, nämlich pro mol Zitrat drei mol H+. Unter optimalen Bedingungen, d. h. die Transfusionsgeschwindigkeit ist zufällig an die Zitrat- und Laktat-Umsetzung durch die Leber angepasst, kann bei Massivtransfusionen die entsprechende Azidose ausbleiben und Stunden später eine metabolische Alkalose auftreten.
Da der Leberstoffwechsel unter Allgemeinanästhesie, insbesondere bei Hypothermie oder Leberparenchymschaden, erheblich reduziert sein kann, muss intraoperativ eher mit einer Transfusions-Azidose gerechnet werden.
Da beim Neugeborenen die hepatische Zitratverwertung erheblich reduziert ist, werden hier zur Korrektur einer Anämie Heparin-Erythrozytenpräparationen empfohlen.
Gewaschene Erythrozyten, wie sie aus Autotransfusionsgeräten gewonnen werden, müssen nach dem Waschen mit physiologischer NaCl zwangsläufig einen vollständigen HCO3--Verlust aufweisen, der bei normaler cHb von 15 g/dl etwa 18 - 20 mmol/l betragen muss, da dies die normale HCO3--Konzentration des Blutes bei pCO2 40 mmHg und pH 7,40 ist. Der BE-Wert derartiger Präparationen beträgt daher im ungünstigsten Falle - 20 mmol/l. Plasmapräparationen, wie zum Beispiel FFP (fresh frozen plasma), enthalten bedingt durch den Zubereitungsvorgang eine reduzierte HCO3--Konzentration. Darüber hinaus aber verbleibt der größte Teil des Zitrats (15,3 mmol/l Blut) im Plasma mit der Folge, dass FFP nach Metabolisierung des Zitrats pro Liter ca. 80 mmol H+ verbraucht, also eine alkalisierende Wirkung entfaltet.
Das klassische Beispiel einer metabolischen Azidose ist die Lakt-Azidose (nicht Laktat-Azidose), bei der als Folge einer verstärkten Milchsäure-Bildung und/oder eines verminderten Milchsäure-Abbaus eine Azidose mit deutlich erhöhten Laktat-Konzentrationen im Extrazellularraum und damit im Blut beobachtet wird. Die klinisch relevantere Form der Lakt-Azidose vom Typ A ist Folge eines Schockgeschehens mit Reduzierung des O2-Angebotes an alle Gewebe und daraus folgender Gewebe-Hypoxie, verursacht durch eine Minderperfusion und/oder arterielle Hypoxämie.
Die bereits in körperlicher Ruhe in Gehirn, Muskel, Nierenrinde, Blutzellen und Haut für einen Patienten mit 65 kg KG etwa 65 mmol/h gebildete Milchsäure wird zu etwa 2/3 von der Leber, der Rest von Niere und Herz aufgenommen und abgebaut. Das Fließgleichgewicht Milchsäure-Bildung versus -Abbau ergibt die physiologische Blut-Laktat-Konzentration von ca. 1,5 mmol/l. Der Anstieg der Milchsäure-Produktion in nahezu allen Organen unter Gewebe-Hypoxie übersteigt den Milchsäureabbau.
Eine Reduzierung des Milchsäure-Abbaus durch die Leber kann folgende Ursachen haben: Minderperfusion (allein ein chirurgischer Eingriff im Oberbauch oder eine Halothan-Anästhesie kann die Leberdurchblutung halbieren), hypoxische Hypoxämie (saO2 65-75 %) oder die unter Azidose enorm gesteigerten Katecholamin-Konzentrationen mit Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet.
Eine Zusammenfassung zur Lakt-Azidose kann daher lauten: Die Lakt-Azidose ist Folge einer vermehrten, hypoxisch-bedingten Milchsäure-Produktion bei gleichzeitigem Sistieren des Laktat-Abbaus in der Leber.
Hiervon zu unterscheiden ist die Lakt-Azidose vom Typ B ohne nachweisbare Minderperfusion und Gewebe-Hypoxie, wie sie bei Diabetes mellitus, Phenformin-Überdosierung, Leberfunktionsstörungen, übermäßiger Fructose-, Xylit- oder Sorbit-Zufuhr oder Hyperventilation beobachtet werden kann.
Metabolische Alkalosen dürften im Regelfall als iatrogene Alkalosen einzustufen sein, da es eine Stoffwechselstörung mit vermehrter Produktion von OH- nicht geben kann. Unter klinischen Bedingungen tritt sie daher vermehrt nach Infusion größerer Volumina von Infusionslösungen mit metabolisierbaren Anionen auf oder als sogenannte Rebound-Alkalose (s. u.) nach Therapie einer Azidose.
Die größte Problematik dieser in einigen Stunden entstehenden Alkalose besteht in der zwangsläufig einsetzenden Hypoventilation, die aber die Alkalose nur teilweise kompensiert. Bei einem extremen BE von + 20 mmol/l würde im Rahmen einer Teilkompensation ein pCO2 von 55 mmHg und ein pH von 7,54 resultieren, über 60 mmHg soll der pCO2 dabei niemals steigen. Hierbei würde nämlich der arterielle pO2 auf ca. 65 mmHg und damit die O2-Sättigung auf etwa 92 - 93 % abfallen.
Die Hypoxämie des Patienten (Abnahme der arteriellen O2-Konzentration) mit möglicher Gewebshypoxie (Linksverlagerung der O2-Bindungskurve) in Verbindung mit einer deutlichen Abnahme des ionisierten Calciums im EZR (Änderung des Gleichgewichts zwischen ionisiertem und proteingebundenem Calcium) und Freisetzung von lipidlöslichem, hirntoxischem NH3 aus NH4+ begründen die klinische Symptomatik von Somnolenz und Atemdepression.
Unter diesen Gesichtspunkten sollten Alkalosen nach Anwendung der Herzlungenmaschine, Probleme bei der Entwöhnung vom Respirator und Steigerung des Gesamt-O2-Verbrauchs nach Lebertransplantationen um bis zu 70 % mit fast regelmäßiger postoperativer respiratorischer Insuffizienz betrachtet werden: Die Hypoventilation ist zwangsläufige Folge der metabolischen Alkalose, also muss die Alkalose, nicht die Hypoventilation therapiert werden.
Gehen größere Volumina von Mageninhalt oder Darmsekret verloren, wie es beim Erbrechen, über Fisteln oder Spülungen erfolgen kann, wird durch Verlust saurer (H+) oder alkalischer (HCO3-) Sekrete eine nicht-respiratorische Azidose oder Alkalose entstehen. Die Symptome entsprechen denen der anderen nicht-respiratorischen Azidosen und Alkalosen, insbesondere die Hypoventilation bei nicht-respiratorischer Alkalose.
Welche großen Volumina dabei verloren gehen müssen, soll am Beispiel einer intestinalen Alkalose infolge Verlust von saurem Mageninhalt beschrieben werden: Bei einem Magensaft-pH von 2,0 (0,01 mol/l H+= 10 mmol/l) müssten immerhin 15 l verloren gehen (150 mmol), um im Extrazellularraum von 15 l einen BE von + 10 mmol/l zu erzeugen. Bei Säuglingen wären dies nur ca. 1,5 l Volumenverlust, was die relative Häufigkeit derartiger Alkalosen in der Pädiatrie erklärt.