Die größere Blutung bis zur Massivblutung, insbesondere beim Trauma- oder Polytrauma-Patienten, gilt als extremes Ereignis mit hoher Mortalität.
Das zur Zeit akzeptierte Schema zur Volumen- bzw. Blutkomponenten-Therapie (Fig 4, Spahn DR und Rossaint R, BJA 2005; 95: 130-139) ist dringend revisionsbedürftig: Nicht zuerst Kristalloide, dann Kolloide, dann Erythrozyten-Konzentrate (EK‘s) und dann Plasma (FFP), sondern zuerst balancierte Kolloide, dann Plasma (Volumen, Gerinnungs-Faktoren, Azidose-Prävention) und erst dann frische EK‘s, wenn die cHb unter 5-7 g/dl fällt.
Was sind die Ursachen dieser Azidosen?
Welche Konsequenzen ergeben sich für die Diagnostik, insbesondere POC?
Die Zusammenhänge zwischen Säure-Basen-Status und Gerinnung bzw. Fibrinolyse sind auf die Diagnostik auszudehnen.
Offensichtlich führt die Strategie, die Massiv-Blutung mit Massiv-Transfusion zu therapieren, in eine Sackgasse: Die bestehende metabolische Azidose des Patienten verursacht kausal eine Coagulopathie, eine Massiv-Transfusion mit den üblichen 20 Tage alten EK‘s verstärkt diese Azidose und damit die Coagulopathie. Die für Trauma-Patienten typische metabolische Azidose sollte verhindert und nicht in Kauf genommen oder therapiert werden, weil sie, einmal entstanden, über Stunden ursächlich für das Blutungs-Risiko verantwortlich ist.
Eine Massiv-Transfusion schränkt die Wirksamkeit von rFVIIa (NovoSeven) ein, weil insbesondere alte EK‘s die Azidose unterhalten. Wenn überhaupt, dann wäre rFVIIa unbedingt vor der Gabe von EK‘s einzusetzen, und nicht, wie empfohlen (z. B. nach dem 8. EK), als „Ultima ratio“.
Da die Gerinnungsaktivität stark vom pH abhängt, kann der Verdacht geäußert werden, dass auch die Fibrinolyse und die sie modifizierenden Präparate, also auch z. B. Aprotinin oder Tranexamsäure, vom BD beeinflusst werden.
Die Volumentherapie startet nicht mit einer kristalloiden sondern einer kolloidalen Lösung, und zwar - entscheidend - einer balancierten, d. h. den Elektrolyt- und Säure-Basen-Status nicht verändernden isotonen Lösung (z. B. HES 130/0,4 mit BEpot ~ 0 mmol/l), dabei wird die permissive Hämodilution bis zu einer cHb von ca. 7,5 g/dl in Kauf genommen.
Danach folgt die Gabe von tiefgefrorenem (FFP) oder lyophilisiertem Plasma (Lyo-Plasma) als Volumenersatz, Gabe von Gerinnungsfaktoren und prophylaktische Azidose-Therapie.
Erst wenn die cHb unter ca. 5-7 g/dl abfällt und Hypoxie-Zeichen auftreten (Tachykardie, EKG-Veränderungen, Anstieg von BD und Laktat), sind möglichst frische EK‘s indiziert.
Der Einsatz von rFVIIa kann nur sinnvoll sein, wenn zu keinem Zeitpunkt der Therapie eine nennenswerte metabolische Azidose vorgelegen hat. Dies gilt - unter Vorbehalt – auch für Fibrinolyse modifizierende Präparate und alle Arten von Gerinnungsfaktoren.
Verfügt der Patient über sein eigenes "Autoplasma" (lyophilisiertes Eigenplasma, pro Liter Plasma ein DIN-A4-Beutel in Briefformat mit einem Gewicht von ca. 75 g, gelagert bei Raumtemperatur), kann die Therapie extrem vereinfacht und optimiert werden, vermutlich kann auf die Gabe von EK‘s in vielen Fällen ganz verzichtet werden.
Dass die deutliche Reduktion der Gabe von EK‘s zu einer Senkung der Mortalität von Polytrauma-Patienten führt, wurde jetzt an über 5.000 Patienten (1993 - 2006) mit dem DGU-Traumaregister (Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie) eindrucksvoll belegt.
Die zitierten Abbildungen und die Literatur findet sich unter Volumen- und Hämotherapie bei Massiv-Blutung