Der erfundene "Cello-Hoden" (Süddeutsche Zeitung, Mai 2010)

Vor Jahrzehnten hatte ein britisches Ehepaar der Fachwelt eine Krankheit vorgestellt, die es nicht gibt - und kam damit durch. Das hat jetzt ein britisches Ehepaar zugegeben, das das Leiden 1974 im renommierten British Medical Journal (BJM) vorgestellt hatte.

Die Ärztin Elaine Murphy und ihr Ehemann John, Chef einer Brauerei, haben in einem Brief an eben diese Fachzeitung (BMJ 2007) eingeräumt, die Malaise nur ersonnen zu haben. Auslöser war eine Zuschrift in demselben Journal aus dem Jahr 1974 über einen angeblichen "Gitarren-Nippel" bei drei Mädchen durch die fortwährende Reibung des Instruments an der Brustwarze.

"Wir hielten das für einen Ulk und beschlossen, die Sache einen Schritt weiter zu treiben", bekennen die Murphys. Nicht-Mediziner John Murphy schrieb im selben Jahr einen Brief, der von einer angeblichen Hodenreizung bei einem professionellen Cellisten berichtete. "Zu unserer Überraschung wurde der Brief veröffentlicht", schreibt das Ehepaar nun.

Dennoch wurde die kurze Zuschrift wiederholt zitiert, zuletzt erneut im British Medical Journal vom 12. Dezember 2008 - wenn auch mit großer Skepsis. "Nach 34 Jahren ist es vielleicht Zeit für uns zu gestehen, dass wir das 'Cello-Scrotum' (mittlerweile 6 Einträge in PubMed) erfunden haben."